Page 17 - Don’t worry – Be healtyh
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                 Es gibt allerdings auch ein wichtiges sensorisches System, das sich inner- halb unseres Körpers, hauptsächlich in den Muskeln und ihren Faszien, befindet. Es handelt sich um das sogenannte propriozeptive System, die Tiefensensibilität, die für unser Körperbewusstsein verantwortlich ist. Etliche Studien belegen, wie wichtig dieses sensorische System für die körperliche und geistige Vitalität ist. Unsere Tiefensensibilität be- nötigt also regelmäßige Bewegung, damit wir uns körperlich, geistig und sozial wohlfühlen.
Moderne Bürokonzepte sollten also nicht dafür ausgelegt werden, Be- wegung zu fördern, sondern diese auch einzufordern. Es ist erwiesen, dass Bewegung auch die geistige Aktivität im Teamwork steigert. Das ist auch der Grund, warum viele Sitzungsräume oder Brainstorming- Bereiche über Stehpulte verfügen oder kleinen Gruppen ermöglichen, während des Gesprächs umherzugehen.
Wie wichtig ist es, dass man sich aussuchen kann, wo man im Büro arbeitet, und seine Haltung während der Arbeit wechseln kann?
D.B. _ Jeder Mensch hat ein anderes Wesen. Werden die individuel- len Anforderungen, wie der persönliche Arbeitsrhythmus, nicht aus- reichend in der Auslegung des Arbeitsplatzes berücksichtigt, geht menschliches Potenzial verloren. Unser persönliches körperliches und geistiges Wohlbefinden basiert auf komplexen biologischen und bio- mechanischen Interaktionen, die durch flexible Arbeitsplatzkonzepte gefördert werden können.
Wir brauchen offene Raumorganisationen innerhalb und außerhalb des Büros und flexible Arbeitskonzepte (nicht-territoriales Arbeiten), wo ein Gleichgewicht zwischen den Aufgaben und spontanen Arbeitsverhal- tensweisen herrscht. Des Weiteren muss es auch diverse Möglichkeiten der sozialen Interaktion und Zusammenarbeit geben.
Das Ausleben von physiologischen Positionswechseln und Bewegungen kann bereits grundsätzlich durch die Möblierung der Räume beeinflusst werden. Hierzu zählen z. B. Stühle mit dreidimensionaler Flexibilität, die Möglichkeit zum Stehen und Ruhebereiche. Flexible Arbeitszeiten für einen besseren Ausgleich zwischen Arbeitszeit und Freizeit — die „Work-Life-Balance“ — sind ebenfalls notwendig.
In innovativen Arbeitsräumen findet man oft eher ungezwungene Bereiche, in denen Sitzgelegenheiten und Schreibtische die Grund-
sätze der Ergonomie außer Acht zu lassen scheinen. Was halten Sie davon?
D.B. _ Die Zeiten, in denen wir Verhaltensweisen dogmatisch als richtig oder falsch einstuften, gehören der Geschichte an. Menschen sind nicht dafür ausgelegt, lange Zeit in einer Position zu verharren. Sie sind dazu geschaffen, eine Vielzahl verschiedener Positionen einzunehmen und Bewegungen in einer körperlich und sozial stimulierenden Umgebung auszuführen.
Offene Arbeitsplätze und neue, flexible Arbeitsplatzkonzepte, insbeson- dere wenn diese mit angemessenen und bewegungsfördernden Möbeln ausgestattet sind, sind daher ein gutes Beispiel dafür, wie Räume heute bereits unser Unterbewusstsein beeinflussen, was sich wiederum intuitiv auf das Verhalten unseres Körpers auswirkt.
Entwicklungsbiologisch bedingt sind wir in der Lage, uns physiologisch „intelligent“ selbst zu organisieren, das heißt auf Stresssignale adäquat zu reagieren. Das sehen wir am besten in den natürlichen Positionswechseln eines frei stehenden Menschen. Folglich sollten wir unser autark auf Wohlbefinden ausgerichtetes biologisches System nicht durch restriktive Verhältnisse manipulieren.
Tragbare Geräte überwachen die Leistung, den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Welche Vorteile — wenn es überhaupt welche gibt – sehen Sie in solchen Geräten? Wie werden diese Ihrer Meinung nach unser Arbeitsumfeld verändern?
D.B. _ Moderne Informationstechnologie kann flexible Arbeitsplatzkon- zepte wie offene Räume und nicht-territoriale Arbeit insbesondere bei sogenannten Wissensarbeitern hervorragend unterstützen. Arbeiten Sie, wo und wann Sie wollen, an unterschiedlichen Orten und in un- terschiedlichen Haltungen – stehen, sitzen, gehen oder entspannen – im Büro, zu Hause oder sonst wo. Mobile Geräte leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Work-Life-Balance. In diesem Fall lässt sich ein in- dividuellerer und gesundheitsfördernderer Rhythmus von Aktivität und Entspannung, geistiger Anspannung und Erholung umsetzen. Mobile Geräte und deren flexible Verwendung müssen Hand in Hand mit einer Unternehmenskultur gehen, die Prozesse grundsätzlich unterstützt, mit deren Hilfe Mitarbeiter ein angemessenes Arbeitsumfeld finden, in dem sie sich wohlfühlen und produktiv unter Wahrung und Förderung ihrer Gesundheit arbeiten können.
DAS EXPERTENGESPRÄCH | 17





















































































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