Page 17 - Hacktivism
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Manager längere Büroanwesenheitszeiten mehr honoriert als Arbeits- ergebnisse – wie es in traditionellen Betrieben oft der Fall ist –, dann würde das der Idee von Flexibilisierung widersprechen. Es bedarf ei- nes kontinuierlichen Prozesses, der Diskussion, Unterstützung und Er- fahrungsaustausch zulässt und eine transparente Beziehung zwischen verschiedensten Ebenen im Unternehmen ermöglicht.
Welche Bedeutung hat Teamarbeit in diesem Prozess und wie hoch ist der Grad an Freiheit?
G.C. _ Bei uns sind Teams die Schlüsselelemente. Die Mitarbeiter verantworten ihre Arbeit ebenso wie das Teamergebnis. Erfolg und Misserfolg werden geteilt und deshalb ermöglichen wir diesen Teams die nötige Flexibilität im Sinne einer Work-Life-Balance.
Tetra Pak bringt „effiziente Flexibilität”, die eigentlich eher in Un- ternehmen der New Economy oder in der digitalen Branche anzu- treffen ist, in einen traditionellen Fertigungsbetrieb. Was waren die Schwierigkeiten dabei, was die besonderen Erfahrungen?
G.C. _ Zuallererst mussten wir das Teamkonzept neu definieren, denn Tetra Pak denkt nicht in Abteilungen oder Funktionen, sondern in einer Zusammensetzung von Personen, die aufgrund verschiede- ner Kenntnisse und Aufgaben an einem Projekt arbeiten. Deshalb gehören alle dazu, die das Projekt in seinen verschiedenen Phasen begleiten, von der technischen Entwicklung der Maschinen bis zur Testphase oder von der Forschung und Entwicklungsphase bis zur Umsetzung in ein verkaufsfähiges Produkt.
Welche Werte verfolgt Tetra Pak, wenn Flexibilität zum verbinden- den Glied zwischen Unternehmen und Mitarbeitern wird?
G.C. _ Der Hauptwert ist definitiv die Transparenz, die dabei entsteht. Es gibt keine echte Beteiligung, wenn nicht alle dieselben Informati- onen erhalten, auftretende Probleme oder das strategische Ziel des Unternehmens kennen. Mit diesen Informationen können wir offene Diskussionen führen, in denen sich ein jeder einbringt und zum Errei- chen des Ziels beiträgt.
Absolute Transparenz gehört unbedingt dazu. In unserem Unterneh- men sind alle Projekte und deren Status für jedermann sichtbar. Wir haben die sog. „Kampfzone”, ein Platz inmitten der Produktionshalle, an dem alle operativen Prozesse sichtbar sind. Auf einigen Tafeln wird sichtbar gemacht, welche Produktionsschritte sich im grünen, gelben
oder roten Bereich befinden, abhängig vom vereinbarten Zeitplan. Nur durch diese Informationen entsteht zwischen den Teams ein Dia- log, ein Austausch von Erfahrungen und die Bereitschaft, gegenseitig zu helfen. Doch Transparenz entsteht nicht nur durch Informationen. Alle Büros und Einrichtungen bieten ein Höchstmaß an Sichtbarkeit und Flexibilität.
Unsere Büros sind als „Denkboxen” konzipiert, bestehen aus Glaswän- den und sind jederzeit an gewünschte Layouts und Ausstattungen anpassbar. Offene Büros, Konferenzräume und separierte Räume... Als wir die Architekten beauftragten, die unsere Büros geplant haben, erzählten wir ihnen nichts von der Art und Weise, wie wir arbeiten. Das Ergebnis war ein modular aufgebautes Gebäude, das schnel- le Veränderungen ermöglicht, oft über ein Wochenende gemacht, ohne große technischen Aufwand und größtmöglicher Transparenz zwischen den Arbeitsbereichen. Auch das war ein Weg, Mitarbeitern die Verantwortung für ihr Verhalten zu übertragen. Jeder sieht jeden, es gibt keine Hierarchie und trotzdem wird die nötige Vertraulichkeit und Lärmabsorption gewahrt.
Verfolgt das Unternehmen auch soziale Projekte? Wie passen diese zur Unternehmesstrategie und wie können sich Mitarbeiter daran beteiligen? Können sie ihre Arbeit und ihr soziales Engagement miteinander verknüpfen?
G.C. _ Wenn Sie von Mitarbeitern erwarten, länger zu arbeiten oder E-Mails von zu Hause aus zu beantworten, tragen Sie „das Unterneh- men in das private Umfeld”. Für uns ist dies nur akzeptabel, wenn jemand „sein privates Leben mit in die Firma bringt”. Zwischen pri- vaten Interessen und arbeitsrelevanten Aspekten gibt es eine Reihe von sozialen Engagements, die wir als Unternehmen unterstützen. Wir haben Teams, die ihren Gemeinschaftssinn über das Büro hinaus tragen, wie z. B. durch Besuche von Sport-, künstlerischen oder Wohl- tätigkeitsveranstaltungen.
Viele Projekte betreffen auch Aspekte des täglichen Lebens. Wir er- muntern unsere Mitarbeiter z. B. mit dem Fahrrad zur Firma zu fahren und schaffen zusammen mit der Stadt Modena entsprechende Fahr- radwege. Oder wir beteiligen uns am Bau eines Kindergartens, den nicht nur Angestellte, sondern auch Außenstehende für ihre Kinder in Anspruch nehmen können. Wir sind davon überzeugt, dass wir damit den Gemeinschaftssinn über das Unternehmen hinaustragen und vielleicht auch Vorbild für andere Organisationen sein können.
DAS EXPERTENGESPRÄCH | 17





















































































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